Timo Wollmershäuser, Przemyslaw Brandt, Stefan Ederer, Friederike Fourné, Max Lay, Robert Lehmann, Sebastian Link, Sascha Möhrle, Radek Šauer, Stefan Schiman, Klaus Wohlrabe, Lara Zarges
Wirtschaft und Gesellschaft, 2018, 44, (1), S.17-43
Der Artikel untersucht Verdoorn-Effekte in Österreich und der EU empirisch mittels ökonometrischer Methoden. Wir finden sowohl
für die Sachgütererzeugung als auch für die Gesamtwirtschaft signifikante Effekte. Demnach zieht ein Anstieg der Produktion
um 1% eine Steigerung der Arbeitsproduktivität um bis zu ½ Prozentpunkt nach sich. Mit Hilfe von Impuls-Antwort-Funktionen
werden zusätzlich endogene Verstärkungsmechanismen über eine stärkere Kapitalakkumulation und den dadurch induzierten technischen
Fortschritt abgebildet. Eine Phase schwachen Wirtschaftswachstums hat demnach einen direkten negativen Einfluss auf das Produktivitätswachstum
und daher den langfristigen Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit. Angebotsseitige Politikmaßnahmen zur Steigerung der Produktivität
sollten daher durch Maßnahmen zur Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ergänzt werden.
Die Finanzmarktreformen nach der Depression in den 1930er-Jahren und die Neuordnung des internationalen Finanzsystems in Bretton
Woods 1944 bildeten die Grundlage für eine marktwirtschaftliche Ordnung mit stark regulierten Finanzmärkten, die sich im Westen
nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte. Die Instabilität des Wechselkursregimes aufgrund der asymmetrischen Rolle des Dollars
bewirkte den Zusammenbruch dieses Ordnungsrahmens. Starken Wechselkursschwankungen folgten Erdölpreisschocks, die eine Hochzinspolitik
auslösten, welche die Regulierung der Finanzmärkte in den USA untergrub. Die durch die Erdölkrise beschädigte nachfrageorientierte
Wirtschaftspolitik wurde zudem von einer neoliberalen Doktrin abgelöst, die den Deregulierungsprozess theoretisch fundierte.
Der mit dessen kompetitivem Charakter einhergehende Druck auf geschützte Finanzdienstleistungen und auf deren Profitabilität
erzeugte eine Welle an Zusammenschlüssen in der Finanzwirtschaft und ermöglichte den dadurch entstandenen Finanzkonglomeraten
immer riskantere Geschäfte, die mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft eng verzahnt waren. Diese Gemengelage, die an die Ursprünge
der Finanzmarktkrise 1929 erinnert, entzündete sich schließlich am Immobilienpreisboom in den USA und mündete in die Finanzmarktkrise
2007/08.