Österreich hat im europäischen Vergleich im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung eines der umfangreichsten Maßnahmenpakete zur
Abfederung der sozialen und ökonomischen Folgen der hohen Inflation und Energiepreise implementiert. Die zwischen Jänner 2022
und Mai 2023 verabschiedeten Maßnahmen summieren sich kumuliert im Zeitraum 2022 bis 2026 auf 48,7 Mrd. €, davon 48,1 Mrd.
€ seitens des Bundes. Von den 37,7 Mrd. € Entlastungen für private Haushalte sind 14,6 Mrd. € kurzfristig bzw. befristet,
23,1 Mrd. € sind dauerhaft-strukturelle Entlastungen (Kompensation der kalten Progression, Valorisierung bestimmter Sozialleistungen).
Für die Unternehmen sowie die Land- und Forstwirtschaft werden 8,3 Mrd. € an kurzfristigen und 2,1 Mrd. € an dauerhaft-strukturellen
Maßnahmen (Senkung der Lohnnebenkosten) gewährt. Die Teuerung wurde wesentlich durch den Anstieg der Energiepreise getrieben,
dementsprechend weist ein erheblicher Teil der Entlastungsmaßnahmen (18,1 Mrd. € bzw. 37,6% des bundesseitigen Entlastungsvolumens)
einen direkten Energiebezug auf. Davon hat mit 93,3% (16,9 Mrd. €) ein erheblicher Anteil (nicht intendierte) klimakontraproduktive
Wirkungen, da insgesamt verabsäumt wurde, Anreize für Energiesparmaßnahmen zu setzen. Von Interesse ist darüber hinaus die
Treffsicherheit der Maßnahmen. Ein erster sehr grober Indikator hierfür ist die Unterteilung der Entlastungsmaßnahmen in einkommensabhängige
und einkommensunabhängige Maßnahmen. 32,8 Mrd. € – das sind 87,1% der Entlastungsmaßnahmen für private Haushalte – werden
einkommensunabhängig gewährt, während nur 4,9 Mrd. € vom Einkommen abhängen.
Geopolitische Veränderungen und die Energiekrise prägten 2022 die Entwicklung der Weltwirtschaft. Regional verlief die Konjunktur
heterogen, wobei die steigende Unsicherheit und Angebotsverknappungen in vielen Ländern hohe Preissteigerungen zur Folge hatten.
Österreichs Wirtschaft expandierte im 1. Halbjahr 2022 noch kräftig, im weiteren Jahresverlauf dämpfte jedoch die hohe Teuerung
die Konsum- und Investitionsnachfrage. Die Verbraucherpreisinflation stieg im Herbst 2022 auf einen Spitzenwert von 11%, was
u. a. zu Reallohnverlusten der unselbständigen Beschäftigten führte. Die österreichische Bundesregierung setzte umfangreiche
temporäre und permanente Entlastungsmaßnahmen, um die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Inflation und Energiekrise
auf Unternehmen und private Haushalte abzufedern.
Im Jahr 2022 waren Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftspolitik in der EU primär durch den russischen Überfall auf die Ukraine
im Februar 2022 und die damit verbundene Teuerungs- und Energiekrise geprägt. Die Phase der kräftigen Konjunkturerholung ging
im Sommer zu Ende. Die Hauptthemen der europäischen Wirtschafts- und Fiskalpolitik waren die Reaktion der Geldpolitik auf
die sich seit Ende 2021 beschleunigende Inflation, Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zur Bewältigung von Inflation und
Energiekrise sowie zur Sicherstellung von Energiesicherheit und unabhängigkeit, der Ausbau der CO2-Bepreisung auf EU-Ebene
und die Zukunft der europäischen Fiskalregeln.
Auch die Steuern und Abgaben sehen sich großen Herausforderungen der Transformation gegenüber. Sie spielen im Rahmen der Klima-
und Umweltpolitik sowohl als Instrument zur Finanzierung öffentlicher Leistungen im Allgemeinen und klima- und umweltpolitischer
Aufgaben im Besonderen als auch als Lenkungsinstrument eine wichtige Rolle. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ist in Österreich
das Aufkommen an Umweltsteuern im engeren Sinne langfristig konstant und liegt anhaltend unter dem EU-Durchschnitt. Dagegen
haben die umweltrelevanten Zahlungen an Gemeinden (z. B. Abwasser- oder Müllgebühren) und sonstige Gebietskörperschaften deutlich
an Gewicht gewonnen. Mit der Einführung einer CO2-Bepreisung im Jahr 2022 schließt Österreich an die wachsende Gruppe jener
Länder auf, die eine CO2-Bepreisung als Instrument der Klimapolitik nutzen. Künftige Reformen sollten auf einen umfassenderen
Beitrag des Abgabensystems zur erforderlichen sozio-ökologischen Transformation abzielen, der über die derzeitige Fokussierung
auf klimapolitische Zielsetzungen hinausgeht. Insbesondere soll das Abgabensystem im Rahmen eines breiteren Maßnahmen-Mix
helfen, den Ressourcenverbrauch (einschließlich der Ressource Boden) einzudämmen, die Biodiversität zu schützen und die Kreislaufwirtschaft
zu unterstützen. Dies erfordert auch den stärkeren Einsatz von transformativen Abgaben auf den subnationalen Ebenen.
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 17.02.2023 0:00
The necessary green transition in the EU requires substantial additional green public investment (GPI) by member countries
throughout this decade and beyond. This briefing paper discusses four approaches for a reform of EU fiscal rules to better
accommodate higher (debt-financed) GPI: (1) an exemption clause for GPI, (2) the implementation of a green golden rule, (3)
a country-specific benchmark share of government expenditures dedicated to GPI recommended by the European Commission, and
(4) an EU Climate Fund. We also discuss these options in relation to the recent Commission proposal from November 2022. This
document was provided by the Economic Governance and EMU Scrutiny Unit at the request of the ECON Committee.
The necessary green transition in the EU requires substantial additional green public investment (GPI) by Member States throughout
this decade and beyond. This briefing paper discusses four approaches for a reform of EU fiscal rules to better accommodate
higher (debt-financed) GPI: first, an exemption clause for GPI; second, the implementation of a green golden rule; third,
a country-specific benchmark share of government expenditures dedicated to GPI recommended by the European Commission; and
fourth, an EU Climate Fund. We also discuss these options in relation to the recent Commission proposal from November 2022.
Der öffentliche Sektor als Produzent und Konsument von Gütern und Dienstleistungen spielt für Fortschritte in Hinblick auf
die ökologische Entwicklung eines Landes eine wichtige Rolle. Das Working Paper beschäftigt sich mit der Erfassung der ökologisch
relevanten öffentlichen Ausgaben in Österreich, wobei der Schwerpunkt auf klimarelevanten Ausgaben liegt. Die in Österreich
verfügbaren Datengrundlagen bezüglicher öffentlicher Klima- und Umweltausgaben werden vorgestellt und hinsichtlich (der Grenzen)
ihrer Aussagekraft diskutiert. Auch wird auf die Datengrundlagen zu den Kosten klimapolitischen Nicht-Handelns, zu ökologisch
kontra-produktiven öffentlichen Subventionen sowie zu den für die grüne Transformation erforderlichen grünen öffentlichen
Investitionen in Österreich eingegangen. Ziel des Beitrags ist es, einen möglichst vollständigen Überblick über die bestehenden
Datengrundlagen zu ökologisch und insbesondere klimapolitisch relevanten öffentlichen Ausgaben in Österreich zu geben, Grenzen
ihrer Aussagekraft aufzuzeigen und auf Datenlücken und -erfordernisse hinzuweisen. Schließlich werden auch Anforderungen hinsichtlich
der institutionellen Rahmenbedingungen für die Implementierung öffentlicher Klimaschutzausgaben angesprochen.
Die Rahmenbedingungen der Budgeterstellung sind auch im Herbst 2022 sehr schwierig. Dem Rückgang der COVID-19-bedingten Aufwendungen
stehen erhebliche Mehrausgaben zur Abfederung der Effekte des anhaltenden Verbraucherpreisauftriebs, speziell des Anstiegs
der Energiepreise, gegenüber. Zwar gehen sowohl das Maastricht-Defizit als auch die Schuldenquote mittelfristig zurück, dies
ist jedoch wesentlich dem inflationsbedingt hohen BIP-Wachstum geschuldet. Das steigende Zinsniveau, der dringende Nachholbedarf
im Verteidigungsbudget und die Investitionsbedarfe in wichtigen Zukunftsfeldern (Klimaschutz, Kinderbetreuung, Bildung und
Qualifizierung) verstärken ebenso wie wachsende Ausgaben in demografiesensiblen Bereichen (Pflege, Gesundheit, Pensionen)
die Dringlichkeit von Strukturreformen und Effizienzsteigerungen im öffentlichen Sektor.
Der vorliegende Beitrag analysiert Optionen zur Entlastung von Unternehmen angesichts der derzeit hohen Energiepreise. Unterstützungsmaßnahmen
sollten auf Unternehmen beschränkt werden, die ihre Kosten nicht weitergeben können, da sie im internationalen Wettbewerb
stehen. Ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene ist prinzipiell nationalen "Insellösungen" vorzuziehen. Mit dem konkreten
Design des Energiekostenzuschusses für Unternehmen hat sich die österreichische Bundesregierung für ein breitflächiges Subventionsregime
unter Inkaufnahme entsprechend hoher Mitnahmeeffekte und gegen eine zielgerichtete Unterstützung entschieden. Ein allgemeiner
Verlustrücktrag kombiniert mit Liquiditätshilfen (Haftungen und Garantien) wäre ökonomisch effizienter und ökologisch nachhaltiger
gewesen.
Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen zur Abfederung hoher Energiekosten sollten auf jene Unternehmen beschränkt werden,
die ihre Kosten nicht weitergeben können, da sie im internationalen Wettbewerb stehen. Um den Binnenmarkt nicht zu verzerren,
ist prinzipiell ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene anzustreben und nationalen "Insellösungen" vorzuziehen.
Aus ökologischer Perspektive sind insbesondere ein Aussetzen des nationalen Emissionshandels sowie der Ende September 2022
von der Bundesregierung vorgestellte Energiekostenzuschuss für Unternehmen kritisch zu sehen. Mit dem konkreten Programmdesign
des Energiekostenzuschusses für Unternehmen hat sich die Bundesregierung für ein breitflächig ausgerolltes Subventionsregime
unter Inkaufnahme entsprechend hoher Mitnahmeeffekte und gegen eine zielgerichtete Unterstützung von Unternehmen mit intakten
Geschäftsmodellen entschieden. Ein allgemeiner Verlustrücktrag kombiniert mit Liquiditätshilfen (Haftungen und Garantien)
und einer Senkung der Lohnnebenkosten wäre budgetschonender und ökonomisch effizienter gewesen.