Ältere auf dem Arbeitsmarkt

03.03.2023

Eine Vorausschau bis 2040 als Grundlage für wirtschaftspolitische Maßnahmen

Die Auswirkung der demografischen Alterung auf die künftige Arbeitsmarktentwicklung und auf die Situation älterer Arbeitskräfte ist Gegenstand einer aktuellen WIFO-Studie im Auftrag des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen.

Basierend auf einer detaillierten Analyse der Übergangsmuster zwischen unterschiedlichen Erwerbszuständen werden die Einflüsse verschiedener individueller Charakteristika (insbesondere des Gesundheitszustandes, aber auch der Ausbildung sowie anderer Faktoren, die Einfluss auf die Erwerbsintegration haben können) auf die Erwerbskarriere berücksichtigt und mit Hilfe eines dynamischen Mikrosimulationsmodells eine Vorausschau der Arbeitsmarktlage Älterer bis 2040 vorgenommen.

Die Ausgangssituation des österreichischen Arbeitsmarktes weist im internationalen Vergleich Vor- und Nachteile auf. Einerseits liegt die Erwerbsbeteiligung in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern insgesamt hoch, gleichzeitig ist aber die Beschäftigungsintegration der Älteren gering. Auch die hohe Teilzeitquote (insbesondere bei Müttern aufgrund von Betreuungspflichten) und die vergleichsweise geringe Erwerbsbeteiligung von Personen mit niedriger formaler Schulbildung sowie Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verweisen auf ein künftig stärker erhöhbares Beschäftigungspotenzial.

Bezogen auf die vergangene und künftig erwartbare demografische Entwicklung war und ist Österreich im Vergleich zu seinen unmittelbaren Nachbarstaaten – getrieben von einer vergleichsweise hohen Nettozuwanderung – tendenziell begünstigt: Während die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich gewachsen ist, wird die Entwicklung – der aktuellsten Version der Bevölkerungsprognose von Eurostat folgend – künftig weniger stark rückläufig sein als in den unmittelbaren Nachbarländern. Nichtsdestoweniger wird – vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Wirtschaftswachstums – selbst unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts eine weiter steigende Erwerbsbeteiligung notwendig sein, um das prognostizierte Wirtschaftswachstum zu realisieren. Schritte dazu wurden in der Vergangenheit dazu bereits gesetzt, etwa durch die schrittweise Angleichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von Frauen an jenes der Männer.

Das Basisszenario

Die im Rahmen der gegenständlichen Studie erarbeiteten Simulationen zeigen, wie sich das Arbeitskräftepotenzial in Österreich unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2040 entwickeln sollte. Diese Vorschau bildet dabei einerseits die Hauptvariante der Bevölkerungsprognose von Statistik Austria ab und berücksichtigt andererseits auch die bereits beschlossenen Pensionsreformen der vergangenen Jahre sowie die empirischen Zusammenhänge der Erwerbsintegration mit wesentlichen individuellen Merkmalen. Allen voran integrieren die Simulation dabei die Abhängigkeit der Erwerbsteilnahme von Alter, Geschlecht, Ausbildung und dem Gesundheitszustand sowie – im Falle von Müttern – dem Alter betreuungspflichtiger Kinder. Dadurch erlauben es die Simulationen, die Auswirkungen von Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung (nach Alter, Ausbildung und Herkunft) sowie legistische Veränderungen in den Zugangsmöglichkeiten zu (vorzeitigen) Alterspensionen auf die künftige Entwicklung des Arbeitskräfteangebotes abzubilden.

Im Basisszenario werden dabei die (individuellen) Einflussfaktoren auf die Erwerbsbeteiligung im Zeitverlauf konstant gehalten, während bereits beschlossene Veränderungen in den (kohortenspezifischen) Pensionszugangsregelungen berücksichtigt werden. Zudem sind beobachtbare kohortenspezifische Trends in der Erwerbsbeteiligung berücksichtigt.

Die Ergebnisse des Basisszenarios zeigen, dass das Arbeitskräfteangebot in Österreich im Zeitraum 2018 bis 2040 um insgesamt 176.000 Personen wächst und damit den (theoretischen) demografisch bedingten Rückgang der Erwerbspersonenzahl überkompensiert. Neben kohortenspezifischen Veränderungen im Erwerbsverhalten kann ein großer Teil (rund 30%) dieses Zuwachses dabei direkt auf Veränderungen der Pensionszugangsregelungen zurückgeführt werden. Weiters trägt die Veränderung der Bildungszusammensetzung der Bevölkerung zu rund einem Viertel zur Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes bei.

Die Zahl der Erwerbspersonen erreicht im Jahr 2027 mit rund 4,797 Mio. ihren Höhepunkt und sinkt dann bis 2035 wieder leicht auf rund 4,751 Mio. ab, bevor sie danach bis 2040 wieder leicht auf 4,775 Mio. ansteigt.

Während die Zahl der Erwerbspersonen damit im betrachteten Zeitraum insgesamt weiter zunimmt, verändert sich die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung im Zeitverlauf deutlich. So nimmt im Basisszenario die Zahl der Erwerbspersonen mit Lehrabschluss um rund 250.000 ab, ebenso wie die Zahl an Erwerbspersonen mit berufsbildender mittlerer Schule als höchstem Bildungsabschluss (–130.000). Hingegen wächst jene der Akademiker:innen (+375.000) und jene der Personen mit AHS- oder BHS-Matura deutlich (+223.000).

Der Anteil Älterer (55 Jahre und älter) steigt bis 2040 um rund vier Prozentpunkte, während im Haupterwerbsalter (25 bis 54 Jahre) ein Rückgang von rund drei Prozentpunkten zu erwarten ist. Absolut betrachtet bedeutet dies einen Rückgang der Erwerbspersonenzahl um knapp 33.000 in der Gruppe der 25- bis 54-Jährigen bei gleichzeitiger Zunahme der Gruppe der Über-55-Jährigen um rund 221.000. Parallel dazu wird auch die Zahl der Erwerbspersonen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen von rund 584.000 im Ausgangsjahr 2018 bis 2027 auf 644.000 ansteigen. Sie sinkt danach bis 2040 wieder leicht auf rund 620.000 ab und liegt damit um knapp 36.000 höher als im Jahr 2018.

Die Veränderungen der Erwerbsbevölkerung – wie sie im Basisszenario ermittelt werden – können als Anhaltspunkt für die Planung des Reaktionsbedarfs für Politikmaßnahmen dienen, ganz besonders im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Beispielhaft werden in der Studie einige quantitative Abschätzungen der Konsequenzen dieser Veränderungen auf den Bedarf an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorgenommen. Unter Annahme einer im Vergleich zum Jahr 2018 gleichbleibenden Förderintensität für alle Erwerbspersonen wäre beispielsweise im Bereich der Qualifizierungsmaßnahmen eine Ausweitung der Förderung ausgehend von knapp 600.000 Förderfällen im Basisjahr 2018 um rund 25.000 Förderungen im Jahr 2027 erforderlich. Im Bereich der Beschäftigungsförderungen würde die notwendige Ausweitung ausgehend von gut 355.000 Förderfällen im Jahr 2018 rund 16.000 Förderungen betragen. Über alle Fördermaßnahmen hinweg betrachtet würde eine gleichbleibende Förderintensität einen Zuwachs von über 40.000 Förderungen (+7% im Vergleich zu 2018) im Jahr 2027 implizieren. Parallel zur Entwicklung der Erwerbspersonenzahl sinkt dieser theoretisch ermittelte Anpassungsbedarf bis 2035 auf rund 35.000 zusätzliche Förderungen, bevor er bis 2040 wieder auf rund 38.000 ansteigt.

Bezogen auf die Förderungen für Ältere (50-Jahre und älter) ergibt sich (bei gleichbleibender Förderintensität wie 2018) ebenfalls eine Ausweitung der – für eine gleichbleibende Förderintensität benötigten – Förderungen um knapp 20.000 (+31% gegenüber 2018) bis 2027. Bedingt durch die stärkere Zunahme des Anteils der Älteren an den Erwerbspersonen sinkt der Bedarf bis 2035 zwar ebenfalls leicht, steigt aber bis 2040 auf über 22.000 zusätzliche Förderfälle – und damit über das Niveau von 2027 hinaus – an.

Für Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen erreicht der theoretisch nötige Zuwachs an Förderungen im Jahr 2027 einen Höhepunkt (+17.000 Förderungen bzw. +19% im Vergleich zu 2018) und sinkt dann bis 2040 auf etwa +10.000 Förderfälle ab.

Durch die Berücksichtigung von kohortenspezifischen Trends setzt die im Basisszenario dargestellte Entwicklung eine verbesserte Nutzung vorhandener Arbeitskräftepotenziale – insbesondere von Frauen und Älteren – voraus. Die bereits in der Vergangenheit zu beobachtende Erhöhung der Erwerbsintegration spezifischer Gruppen wird im Basisszenario demnach implizit fortgesetzt. Neben einem allgemeinen Trend zu höherer Erwerbsneigung sind für die Erreichung einer höheren Nutzung der vorhandenen Arbeitskräftepotenziale auch die fortgesetzte Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen vonnöten, die etwa die Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Berufstätigkeit unterstützen und die Erwerbspotenziale von Älteren und Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen fördern.

Die Alternativszenarien

Abweichend vom Basisszenario lassen sich in Alternativszenarien die Auswirkungen geänderter Rahmenbedingungen oder spezifischer Politikmaßnahmen simulieren. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung internationaler Wanderungsbewegungen für die österreichische Bevölkerungsentwicklung zeigt sich, dass die Annahmen der oberen oder unteren Wanderungsvariante der Bevölkerungsprognose von Statistik Austria (also einer im Vergleich zum Basisszenario erhöhten bzw. reduzierten Wanderungsdynamik) markante Auswirkungen auf die Entwicklung der Bevölkerung insgesamt und der Erwerbsbevölkerung im Speziellen haben. So würde unter den Annahmen der unteren Wanderungsvariante die Zahl der Erwerbspersonen bis 2040 um mehr als 320.000 unter jener des Basisszenarios zu liegen kommen, während sie unter den Annahmen der oberen Wanderungsvariante das Basisszenario um mehr als 340.000 übersteigen würden. Auch eine – im Vergleich zum Basisszenario – veränderte Zuwanderungsstruktur (mit einer Verschiebung weg von EU-interner Zuwanderung hin zu mehr Drittlandangehörigen) würde die Zahl der Erwerbspersonen im Vergleich zum Basisszenario sinken lassen (2040: rund 30.000 Erwerbspersonen weniger).

Während sich internationale Wanderungsbewegungen in der Regel durch politische Maßnahmen kaum direkt beeinflussen lassen, kann die Erwerbsteilnahme und Ausbildungsstruktur der Erwerbspersonen erheblich beeinflusst werden. In den hier erstellten Szenarien zeigt sich etwa, dass durch eine verstärkte bzw. raschere (Re-)Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt eine Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes bis 2040 um rund 20.000 erzielbar wäre.

Eine Forcierung des zweiten Bildungsweges für Personen mit geringen formalen Ausbildungsniveaus könnte zudem dem Rückgang der Erwerbspersonen mit Lehrabschluss deutlich entgegenwirken und den im Basisszenario errechneten Rückgang von rund 240.000 Erwerbspersonen mit Lehrabschluss mehr als halbieren (+137.000 Erwerbspersonen mit Lehrabschluss). Bedingt durch die folglich höhere Erwerbsneigung würde die Zahl der Erwerbspersonen insgesamt bis 2040 um rund 12.000 über dem Niveau im Basisszenario zu liegen kommen. Verstärkt würde dieser positive Effekt auf die Zahl der Erwerbstätigen, da eine Ausweitung der Zahl an Personen mit Lehrabschluss auch die Arbeitslosenzahl reduzieren würde (+33.000 Erwerbstätige im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2040). Eine derartige Ausweitung der Qualifizierungsmaßnahmen würde in etwa eine Verdoppelung der bisherigen erfolgreichen Ausbildungsabschlüsse erfordern, die im Rahmen bestehender Maßnahmen über den gesamten betrachteten Zeitraum erzielt werden. Gelänge es hingegen, nur eine kleine Zahl an Personen im Zuge von Fachkräfteausbildungen höher zu qualifizieren, wären die resultierenden Effekte auf das Arbeitskräfteangebot entsprechend geringer.

Eine markante Forcierung der Lehrabschlüsse im Erstausbildungssystem, die eine gleiche Zahl an zusätzlichen Lehrabschlüssen pro Jahr bewirkt (etwa 10.000 zusätzliche Abschlüsse pro Jahr), wäre allein durch eine Reduktion der frühzeitigen Schul- bzw. Ausbildungsabbrüche nicht erreichbar, da die Zahl an Personen mit maximal Pflichtschulabschluss in den betroffenen Kohorten in der Regel unter 10.000 liegt. Wird unterstellt, dass eine derartige Ausweitung der Lehrausbildung in etwa zur Hälfte durch eine Reduktion der Schul- und Ausbildungsabbrüche und andererseits durch eine Reduktion von AHS-, BHS- und Universitätsabschlüssen realisiert wird, ergibt sich im Zeitverlauf bis 2040 insgesamt eine Zunahme an Erwerbspersonen mit Lehrabschluss von rund 200.000. Die Zahl der Erwerbspersonen insgesamt steigt dabei bis 2040 um knapp 14.000 und damit etwas höher als im Szenario zuvor.

Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl Älterer in der Erwerbsbevölkerung und den damit einhergehenden Zuwächsen in der Zahl an Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewinnen Maßnahmen zur verbesserten Erwerbs- und Beschäftigungsintegration von Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen an Bedeutung. Die beiden in der Studie präsentierten Szenarien zeigen einerseits die Auswirkungen einer Reduktion der Austrittsrisiken gesundheitlich Beeinträchtigter aus Beschäftigung (durch den Ausbau präventiver Maßnahmen) und andererseits einer Forcierung der Integrationschancen arbeitsloser oder erwerbsinaktiver Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (durch eine Verstärkung integrativer Maßnahmen). Beide Szenarien zeigen, dass eine Halbierung der relativen Unterschiede in der Arbeitsmarktintegration von Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen merklichen Anstieg des Arbeitskräftepotenzials (+29.000 bzw. +25.000 Erwerbspersonen im Jahr 2040) sowie der Erwerbstätigen bewirken kann (+31.500 bzw. +28.000 Erwerbstätige im Jahr 2040).
 

Publikationen

Ältere am Arbeitsmarkt: Eine Vorausschau bis 2040 als Grundlage für wirtschaftspolitische Maßnahmen (Older Persons in the Labour Market: A Forecast until 2040 as a Basis for Economic Policy Measures)
Studien, November 2022, 140 Seiten
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Auftraggeber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien – Wirtschaftskammer Österreich – Österreichischer Gewerkschaftsbund – Landwirtschaftskammer Österreich
Online seit: 03.03.2023 9:00
 
Die vorliegende Studie erarbeitet eine Abschätzung der künftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für ältere Personen. Dazu wird der Einfluss des Gesundheitszustands, der Ausbildung und anderer Faktoren auf die Erwerbskarriere analysiert und die Beschäftigungslage Älterer mit Hilfe eines dynamischen Mikrosimulationsmodells bis 2040 prognostiziert. Dieser Ansatz, welcher auf individuellen Erwerbskarrieren einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung basiert, erlaubt eine Abschätzung künftiger Entwicklungstendenzen in Bezug auf Größe und Struktur der österreichischen Erwerbsbevölkerung. Die modellierten Übergänge zwischen den verschiedenen Erwerbszuständen hängen dabei neben Alter und Geschlecht von individuellen Gegebenheiten wie dem Gesundheitszustand, dem höchsten formalen Bildungsabschluss, aber auch der bisherigen Erwerbskarriere ab. Basierend auf detaillierten Analysen zur Auswirkung dieser Faktoren auf die Übergangschancen bzw. ‑risiken zwischen verschiedenen Erwerbspositionen simuliert das Modell künftige Entwicklungen des österreichischen Arbeitsmarktes, wobei auch regulatorische Veränderungen des Pensionssystems berücksichtigt werden.
Rückfragen an

Mag. Dr. Thomas Horvath

Forschungsgruppe: Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit

Mag. Dr. Helmut Mahringer

Forschungsgruppe: Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit
© Graphikroyality/AdobeStock
© Graphikroyality/AdobeStock