Bis 2023 durchschnittliches Wachstum von 1,6% pro Jahr

02.05.2019

Update der mittelfristigen Prognose für Österreichs Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren

Die Expansion der Weltwirtschaft erreichte ihren Höhepunkt im letzten Jahr. Für die kommenden fünf Jahre wird laut der mittelfristigen Prognose des WIFO eine leichte Abkühlung der internationalen Konjunktur erwartet, von der sich die österreichische Wirtschaft nicht gänzlich abkoppeln kann. Das Wachstum der österreichischen Wirtschaft wird für die Periode 2019/2023 mit durchschnittlich 1,6% pro Jahr (2014/2018 +1,8% p. a.) prognostiziert.

Die Stärkung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte durch die Ausweitung familienpolitischer Maßnahmen im Zuge der Einführung des Familienbonus unterstützen die heimische private Konsumnachfrage. Damit wirken sie 2019 und vor allem 2020 dem internationalen Sog entgegen und mildern die wirtschaftliche Abkühlung in Österreich. Die Entlastung der privaten Haushalte und die vergleichsweise günstigere Ausgangssituation sind für die gegenüber dem Euro-Raum in Österreich bessere Wachstumseinschätzung verantwortlich. Da mehr als die Hälfte der heimischen Exporte in den Euro-Raum fließen, ist deren BIP-Entwicklung die wichtigste Bestimmungsgröße für die Dynamik der heimischen Ausfuhren. In weiterer Folge hängen dann auch die Investitionstätigkeit und die gesamte Wirtschaftsleistung stark mit der Exporttätigkeit zusammen.

Mit dieser Ausweitung der Wirtschaftsleistung wird im Prognosezeitraum ein durchschnittlicher Beschäftigungszuwachs von 1,2% p. a. (2014/2018 +1,5% p. a.) erwartet. Bis einschließlich 2021 wird mit einer stabilen Arbeitslosenquote von 7,3% gerechnet. Ab 2021 wird erwartet, dass das Arbeitskräfteangebot aber wieder stärker zunimmt als die sich konjunkturbedingt abschwächende Arbeitsnachfrage, sodass die Arbeitslosenquote bis zum Ende des Prognosezeitraumes auf 7,5% ansteigt.

Der Inflationsdruck bleibt mittelfristig mäßig, und das Inflationsdifferential zum Euro-Raum sollte sich weiter verringern, aber nicht umkehren. Das WIFO rechnet mit einer Inflationsrate gemäß Verbraucherpreisindex von durchschnittlich 1,8% p. a.

Das Trendoutputwachstum (jenes Wirtschaftswachstum das mit einer konstanten (Lohn-)Inflation (NAWRU) einhergeht) wird im Prognosezeitraum mit durchschnittlich 1¾% p. a. prognostiziert. Aus der Differenz zwischen dem prognostiziertem BIP-Niveau und dem erwarteten Trendoutput wird die Outputlücke bestimmt. Für diese wird ausgehend von 0,9% im Jahr 2018 bis 2023 mit einer Schließung gerechnet. Demnach wird sich die österreichische Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren weiterhin in einer Phase überdurchschnittlicher, aber sich verringernder Auslastung befinden.

Anhand des prognostizierten Konjunkturverlaufs und der dieser Prognose zugrunde liegenden "No-Policy-Change"-Annahme für die Wirtschaftspolitik1) ergibt sich ein (leicht steigender) Überschuss im öffentlichen Haushaltssaldo und ein Rückgang der Staatsschuld in Prozent des nominellen BIP auf unter 60% bis zum Ende der Prognoseperiode.

Prognoserisiken

Aus den internationalen Rahmenbedingungen ergeben sich durchwegs Abwärtsrisiken für die vorliegende mittelfristige Prognose. Eine Verschärfung des Handelskonfliktes zwischen den USA und der EU würde sich mittelfristig auf beide Ökonomien negativ auswirken.

Der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union wird mittelfristig zwar in erster Linie für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs selbst negative Effekte haben, aber auch die Wirtschaftsentwicklung im übrigen Europa würde davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Größenordnung der Auswirkungen hängt vom derzeit noch unbekannten Austrittszenario ab, das schlussendlich umgesetzt wird.

Konflikte in den Hauptölförderregionen oder eine Zunahme der Spannungen zwischen Russland und der EU bergen ein Risiko für die Energieversorgung bzw. für einen deutlichen Anstieg der Energiepreise und der Inflation.

Ein Eintreten der oben diskutierten Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft würde die in der Prognose unterstellten internationalen Rahmenbedingungen für die heimische Exportwirtschaft verschlechtern und das Wirtschaftswachstum, den Beschäftigungs- und Einkommenszuwachs in Österreich schwächen.

Die mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte birgt ebenfalls ein asymmetrisches Risiko einer (deutlich) schlechteren Entwicklung: Einerseits dürfte sich im Falle des Austrittes des Vereinigten Königreichs aus der EU der Nettobeitrag Österreichs zum EU-Budget erhöhen.

Darüber hinaus wurden von der Bundesregierung geplante Maßnahmen im Bereich der Einkommens- (Tarifreform, Dämpfung der kalten Progression) und Unternehmensbesteuerung (Senkung des Körperschaftsteuersatzes) in der vorliegenden Prognose nicht berücksichtigt2).

Sollten diese Reformen innerhalb der Prognoseperiode (teilweise) verwirklicht werden, würden die Mindereinnahmen den prognostizierten Budgetüberschuss verringern. Im Gegenzug würde die Steuerentlastung die Wirtschaftsleistung potentiell steigern. Der Nettoeffekt auf den Saldo des Gesamtstaates hängt zum einen von den Mehreinnahmen durch die Ankurbelung der Wirtschaftsleistung und zum anderen von etwaigen (derzeit noch nicht spezifizierten) Gegenfinanzierungsmaßnahmen ab.

Die in der Prognose ermittelten Haushaltsüberschüsse und der Rückgang der öffentlichen Verschuldung beruhen in hohem Ausmaß auf einer günstigen Einnahmenentwicklung. Sollte sich die Wirtschaftsleistung deutlich schwächer entwickeln als unterstellt, würde sich der Budgetsaldo ebenfalls ungünstiger entwickeln als in der vorliegenden Prognose dargestellt.
 

1) In den WIFO-Prognosen wird eine No-Policy-Change-Annahme getroffen. Sie berücksichtigt im Allgemeinen nur bereits beschlossene Gesetze und Verordnungen. In bestimmten Fällen werden auch Maßnahmen einbezogen, die noch nicht formal beschlossen sind, etwa wenn der Verhandlungs- oder Gesetzwerdungsprozess schon sehr weit fortgeschritten ist (Gesetzesentwürfe in Begutachtung, in manchen Fällen auch Ministerratsbeschlüsse, wenn eine stabile Mehrheit im Parlament sehr wahrscheinlich erscheint) und hinreichend detailliert vorliegt, um eine quantitative Einschätzung zu ermöglichen.

2) Zu den angekündigten Maßnahmen liegen derzeit noch zu wenige Details zur konkreten Ausgestaltung vor, um eine quantitative Abschätzung zu ermöglichen.
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Mag. Dr. Josef Baumgartner

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen

Publikationen

WIFO-Monatsberichte, 2019, 92(4), S.221-230
Online seit: 02.05.2019 0:00
 
Die Weltwirtschaft erreichte den Konjunkturhöhepunkt 2018. In den nächsten Jahren wird eine Abschwächung der Wachstumsdynamik erwartet. Im Durchschnitt der Prognoseperiode 2019/2023 wird die österreichische Wirtschaft um 1,6% pro Jahr (2014/2018 +1,8% p. a.) wachsen, etwas stärker als der Durchschnitt des Euro-Raumes. Die Steuerentlastung der privaten Haushalte durch den Familienbonus wird die Konsumnachfrage 2019 und vor allem 2020 unterstützen. Im Prognosezeitraum wird von einem durchschnittlichen Wachstum des privaten Konsums von 1,6% pro Jahr ausgegangen (2014/2018 +1,0% p. a.). Bis einschließlich 2020 wird die Beschäftigung konjunkturbedingt noch stärker ausgeweitet als das Arbeitskräfteangebot. Die Arbeitslosenquote bleibt bei 7,3%. Ab 2021 wird das Arbeitskräfteangebot aber wieder stärker zunehmen als die Nachfrage, sodass sich die Arbeitslosenquote bis zum Ende des Prognosezeitraumes auf 7,5% erhöht. Der Inflationsdruck bleibt mittelfristig mäßig, und das positive Inflationsdifferential zum Euro-Raum sollte sich weiter verringern, aber nicht umkehren. Das WIFO rechnet mit einer Inflationsrate gemäß Verbraucherpreisindex von durchschnittlich 1,8% p. a. Auf der Basis des prognostizierten Konjunkturverlaufes und der angenommenen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wird der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte über die Prognoseperiode positiv bleiben und sich leicht verbessern. Daraus folgt bis 2023 ein Rückgang der Staatsschuldenquote (Verschuldung des Gesamtstaates in Prozent des nominellen BIP) gegenüber dem Jahr 2018 um rund 17½ Prozentpunkte auf unter 57%.
WIFO-Monatsberichte, 2018, 91(10), S.745-755
Online seit: 29.10.2018 0:00
 
Die Nettoentlastung der privaten Haushalte durch die Einführung des Familienbonus Plus und des Kindermehrbetrages entfällt auf Basis der Berechnungen mit dem Mikrosimulationsmodell WIFO-Micromod zu 43% auf das mittlere, zu 28% auf das obere und zu 29% auf das untere Einkommensdrittel. Für die privaten Haushalte ergibt sich bei der unterstellten Ausweitung der Inanspruchnahme im Jahr 2020 eine Entlastung um 1,2 Mrd. €, die bis 2022 auf 1,56 Mrd. € steigt. Wie die Simulation der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Effekte (ohne zusätzliche Maßnahmen zur Gegenfinanzierung) mit dem Makrosimulationsmodell WIFO-Macromod zeigt, ist das reale BIP nach vier Jahren kumuliert um 0,31% höher als in der Basislösung ohne Einführung von Familienbonus Plus und Kindermehrbetrag, die Zahl der unselbständig Beschäftigten erhöht sich um 11.000. Die Reallöhne pro Kopf steigen um 0,15% und das Preisniveau um 0,4%. Im vierten Jahr ist die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte um 1,96 Mrd. € höher als in der Basislösung.
© Michael Niessl/Unsplash
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