Faire und nachhaltige Besteuerung in der EU

13.03.2019

Stakeholder-Event des Horizon-2020-EU-Projektes "FairTax" in Brüssel

In der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union in Brüssel wurden am 19. Februar 2019 u. a. von den WIFO-Experten Marian Fink und Margit Schratzenstaller ausgewählte Ergebnisse des Horizon-2020-EU-Projektes "FairTax" präsentiert. Zudem diskutierten Gaelle Garnier (EU-Kommission), Daniel Gros (CEPS), Tibor Hanappi (OECD) und Tove Ryding (Eurodad) über Möglichkeiten einer fairen und nachhaltigen Besteuerung in der EU.

Vier Jahre lang (2015 bis 2019) wurden im Horizon-2020-EU-Projekt "FairTax" Optionen für eine faire und nachhaltige Besteuerung in der EU analysiert. Bei einem Stakeholder-Event Ende Februar in Brüssel wurden nun ausgewählte Projektergebnisse vorgestellt. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Stakeholder-Gruppen nahmen an der Konferenz teil, die sich auf drei ausgewählte FairTax-Themen konzentrierte.

In einem ersten Block evaluierte WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller unterschiedliche Optionen für steuerbasierte Eigenmittelquellen zur Finanzierung des EU-Budgets – darunter etwa eine EU-weite Steuer auf Flugtickets, ein Grenzausgleichssystem für das EU-Emissionshandelssystem oder eine Steuer auf Finanztransaktionen. Stefan Lehner von der EU-Kommission und Guntram Wolff, Leiter des EU-Think-Tanks Bruegel, betonten in ihren Diskussionsbeiträgen die Notwendigkeit, nach alternativen Eigenmittelquellen für das derzeit primär aus nationalen Beiträgen gespeiste EU-Budget zu suchen. Insbesondere eigneten sich Steuern auf grenzüberschreitende Probleme, wie die vorgeschlagene Flugticketabgabe, als Finanzierungsquellen für das EU-Budget.

WIFO-Ökonom Marian Fink präsentierte die Ergebnisse von Simulationen verschiedener Optionen für Reformen in der Einkommensbesteuerung mit dem Mikrosimulationsmodell EUROMOD für sechs ausgewählte EU-Länder, die für unterschiedliche Wohlfahrtsstaatsmodelle stehen: Deutschland, Österreich, Spanien, das Vereinigte Königreich, Schweden und Tschechien. U. a. zeige sich, dass progressive Einkommensteuersysteme Einkommensungleichheit und Armutsgefährdung wirksamer ausgleichen könnten als eine Flat Tax. Auch bestätigten die Simulationen, dass ein System der Haushaltsbesteuerung gegenüber der Individualbesteuerung die Arbeitsanreize von Zweitverdienerinnen und ‑verdienern dämpfe. Die dazugehörige Debatte übernahmen Europaparlamentarierin Pervenche Berès und EUROMOD-Expertin Gerlinde Verbist von der Universität Antwerpen. Beide wiesen auf die Bedeutung solcher ländervergleichender Simulationen nicht aus akademischer Sicht, sondern als unverzichtbare Grundlage für eine evidenzbasierte Steuerpolitik hin.

Danuše Nerudová von der Mendel-Universität Brünn präsentierte Simulationen für den Einfluss einer gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) nach dem Brexit auf das EU-weite Körperschaftsteueraufkommen und dessen länderweise Verteilung. Friedrich Heinemann, Experte für Öffentliche Finanzen am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim, und Irma Mosquera Valderrama von der Universität Leiden stellten in ihren Diskussionsbeiträgen heraus, dass die Simulationen deutliche Hinweise dafür lieferten, dass der Brexit die länderweise Verteilung der Körperschaftsteuereinnahmen in den verbleibenden 27 EU-Ländern unter einem GKKB-Regime erheblich beeinflusse und damit eine Einigung auf dessen seit langem in der EU diskutierte Einführung erheblich erschwere.

Das von "Standard"-Journalist Thomas Mayer moderierte Abschlusspanel mit Gaelle Garnier (Europäische Kommission), Daniel Gros (Direktor des Brüsseler Think Tanks CEPS), Tibor Hanappi (OECD) und Tove Ryding (Eurodad) zeigte die vielfältigen Zugänge zu fairer und nachhaltiger Besteuerung in der EU aus Sicht unterschiedlicher Stakeholder auf.

Die lebhaften Diskussionen mit dem Auditorium, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, nationaler und europäischer Sozialpartnerorganisationen, der Ständigen Vertretungen mehrerer EU-Länder sowie von mehreren NGOs präsent waren, belegten die Relevanz der FairTax-Forschungsergebnisse für aktuelle Initiativen und Vorhaben auf EU-Ebene: Etwa für den aktuell verhandelten Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung einer GKKB; für die Vorschläge der Europäischen Kommission zum EU-Budget, die u. a. auch steuerbasierte Eigenmittelquellen enthalten; oder die jüngste Initiative des Europäischen Parlaments für eine stärkere Beachtung von Genderaspekten bei der Besteuerung.

Abschließend betonte Christian Kastrop (Bertelsmann Stiftung) das Potential von Steuern, zur Schaffung von europäischem Mehrwert beizutragen. Kastrop wies auch auf künftige langfristige Herausforderungen für die Besteuerung in der EU hin – beispielsweise auf den demographischen und den technologischen Wandel und die Implikationen für die Grundlagen der Besteuerung.

Die Zusammenfassungen ausgewählter Projektergebnisse werden Ende Mai 2019 in einem Special Issue der Fachzeitschrift Intereconomics erscheinen.

Weiterführende Informationen finden Sie auf der Projekt-Website: www.fair-tax.eu
Die Präsentationen können Sie hier downloaden: https://www.umu.se/en/news/fair-and-sustainable-taxation-in-the-eu_7703695/
 

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Veranstaltung

Workshops, Konferenzen und andere Veranstaltungen, 19.02.2019
Veranstalter: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 21.12.2018 0:00
FairTax is a cross-disciplinary four-year research project, aiming to produce recommendations on how fair and sustainable taxation and social policy reforms can increase the economic stability of EU member states. How can sustainable taxation and social policy reforms promote economic equality and security, enhance coordination and harmonisation of tax, enhance social inclusion, environmental sustainability, increase tax compliance, and expand the EU's own-source revenue bases? Under the coordination of Umeå University (Sweden), policy fiscal experts from ten universities in six EU countries and two non-EU countries (Brazil and Norway) contribute to FairTax Research.
WIFO-Ökonom Marian Fink
WIFO-Ökonom Marian Fink