Wohnbeihilfe, Wohnbaudarlehen und der Bezug von geförderten Wohnungen haben äußerst unterschiedliche und teils gegenläufige
Verteilungswirkungen. Die Wohnbeihilfe weist eine hohe soziale Treffsicherheit auf, Wohnbaudarlehen entfallen eher auf Haushalte
mit mittlerem oder höherem Einkommen. Mit steigenden Mieten nimmt die Verteilungswirkung des Bezuges von geförderten Wohnungen
zu. Davon profitieren jedoch Haushalte bis in sehr hohe Einkommensgruppen.
JEL-Codes:D31, H41, H53, H54, I38, O18, R28
Keywords:Einkommensverteilung, Wohnbaudarlehen geför-derte Wohnungen, Wohnbeihilfe, sozial- und wohlfahrtsstaatliche Geld- und Sachleistungen
Forschungsbereich:Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit – Regionalökonomie und räumliche Analyse
Sprache:Deutsch
Distributional Effects of the Austrian Housing Subsidy Scheme
Housing subsidies, housing loans and the attribution of subsidised housing have very different and sometimes contradictory
distributional effects. Housing subsidies have a high social accuracy, housing loans tend to be granted to households with
medium or higher incomes. As rents rise, the distributional effect of obtaining subsidised housing increases. However, households
up to very high income groups benefit from this.
Der Gesundheitssektor ist gemessen am Umfang einer der wichtigsten Ausgabenposten der öffentlichen Hand. Die Aufteilung der
Gesundheitsausgaben gemäß der Alters- und Geschlechtsstruktur der Haushalte zeigt eine relativ gleichmäßige Verteilung der
Ausgaben auf die einzelnen Einkommensgruppen. Wie eine alternative Berechnungsvariante zeigt, die bei der Zuordnung der Gesundheitsausgaben
auch den individuellen subjektiven Gesundheitszustand berücksichtigt, hat das öffentliche Gesundheitssystem neben der Umverteilung
von Gesunden zu Kranken auch eine spürbare progressive Verteilungswirkung auf Einkommensebene. Die progressiven Verteilungseffekte
des Gesundheitssystems dürften in den vergangenen Jahren leicht abgenommen haben, weil der Anteil der Älteren in den Haushalten
mit höheren äquivalenten Einkommen gestiegen ist.
Die Verteilungswirkung der öffentlichen Bildungsausgaben hängt vorrangig von der Verteilung der Schüler und Schülerinnen sowie
Studierenden auf die Ausbildungszweige und der damit verbundenen Ausbildungsdauer ab. Die öffentlichen Schulausgaben hatten
im Jahr 2015 wie auch gemäß den früheren WIFO-Umverteilungsstudien einen vergleichsweise hohen Stellenwert für die Haushalte
im unteren Einkommensdrittel. Die Ausgaben für Hochschulen hatten insgesamt eine sehr differenzierte Wirkung auf die Einkommensverteilung.
Aufgrund der besonderen Haushaltsstruktur dürften sie vorwiegend Jugendlichen aus Haushalten mit mittlerem oder höherem Einkommen
zugutekommen.
Die Verteilung der Familienleistungen spiegelt weitgehend die Häufigkeitsverteilung der Kinder in den Einkommensgruppen wider
und unterstreicht die Dominanz von Leistungen, die den Haushalten mit Kindern unabhängig vom Einkommen in gleicher Höhe gewährt
werden. Zwischen 2010 und 2015 verschlechterte sich die Einkommensposition der Haushalte mit Kindern relativ zur Gesamtbevölkerung
– sowohl vor als auch nach Berücksichtigung von öffentlichen Geldleistungen. Der Beitrag der Familienleistungen zum Bruttogesamteinkommen
eines Kinderhaushaltes war 2015 mit 29% im unteren Einkommenszehntel am höchsten. Zwischen 2010 und 2015 sanken die in Anspruch
genommenen Familienleistungen gemessen am Bruttogesamteinkommen der Kinderhaushalte in den beiden unteren Einkommenszehnteln
markant. Dieser Effekt war auf die Abnahme der Bedeutung der Summe aus Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Schulgeld,
aber auch des Kinderbetreuungsgeldes in Relation zum Einkommen zurückzuführen. Für diese Entwicklung waren u. a. die Reform
der Familienbeihilfe im Jahr 2011 und das Ausbleiben einer Anpassung der Höhe dieser Leistungen an das Preisniveau über mehrere
Jahre bestimmend.
Die Periode zwischen 2010 und 2015 war in Österreich durch geringes Wirtschaftswachstum, einen markanten Anstieg der Arbeitslosigkeit
sowie einen Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft gekennzeichnet. Während der Anteil der von Dauerarbeitslosigkeit
betroffenen Haushalte zwischen 2010 und 2015 von 5,8% auf 7,6% stieg, verdoppelte sich in diesem Zeitraum der Anteil der Haushalte
mit Bezug von Sozialhilfe bzw. Bedarfsorientierter Mindestsicherung von 1,8% auf 3,6%. Die Mindestsicherungstransfers konzentrieren
sich auf die untersten Einkommensgruppen und machten 2015 durchschnittlich ein Viertel der Gesamteinkommen der betreffenden
Haushalte aus. Auch etwa drei Viertel des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe flossen in das untere Drittel der Einkommensverteilung
und waren dort, ähnlich wie im Jahr 2010, mit etwa der Hälfte des Bruttogesamteinkommens eine wichtige Einkommensquelle.
In Österreich ist die Belastung der privaten Haushalte mit Steuern und Sozialbeiträgen hoch. Die Abgabenquote der Haushalte
mit Einkommen überwiegend aus Erwerbstätigkeit liegt mit durchschnittlich 37,3% über jener aller Haushalte mit 34,3%. Die
Abgabenbelastung variiert abhängig von Höhe und Struktur der Einkommen: Haushalte im unteren Drittel der Einkommensverteilung
wandten 2015 13,4% ihres Bruttogesamteinkommens für indirekte und 12,2% für direkte Abgaben auf (insgesamt 25,6% des Einkommens),
für Haushalte im oberen Einkommensdrittel betrugen diese Anteile 6,8% und 30,8% (insgesamt 37,6%). Bezogen auf alle Haushalte
weist das Abgabensystem eine progressive Wirkung auf.
Die Ungleichheit der Einkommen verringerte sich in Österreich sowohl vor als auch nach Umverteilung durch direkte und indirekte
Steuern, Sozialbeiträge und öffentliche Geld- und Sachleistungen im Querschnitt über die gesamte Bevölkerung in der ersten
Hälfte der 2010er-Jahre leicht. Dieser Entwicklung lagen gegenläufige Veränderungen in Haushalten mit unterschiedlichen soziodemographischen
Merkmalen zugrunde. Die Einkommensposition der Haushalte mit über 45-jährigen Hauptverdienenden ohne unterhaltsberechtigte
Kinder verbesserte sich vor und nach Umverteilung relativ zu den anderen Haushalten. Haushalte mit jüngeren Erwachsenen und
unterhaltsberechtigten Kindern verlagerten sich hingegen in der Einkommensverteilung sowohl vor als auch nach Wirkung von
öffentlichen Abgaben und Transfers deutlich nach unten. Die Armutsgefährdung nahm hier zu, während jene der Haushalte mit
über 65-jährigen Hauptverdienenden merklich zurückging. Die Einkommen entwickelten sich in den Haushalten unterschiedlichen
Typs nicht nur relativ zueinander gegenläufig, sondern auch absolut und real. Die Wirkung automatischer Stabilisatoren und
deren Veränderung aufgrund soziodemographischer Entwicklungen hatten einen Anstieg des Ausmaßes der Umverteilung zur Folge.
Durch Steuern, Sozialbeiträge sowie öffentliche Geld- und Sachleistungen wird die ökonomische Situation der Haushalte in Österreich
in unterschiedlichem Ausmaß verändert: Vor Umverteilung betrug das durchschnittliche Einkommen der Haushalte im obersten Zehntel
der Einkommensverteilung das 30-Fache der Haushalte im untersten Zehntel, nach Umverteilung nur das 5,5-Fache. Die Umverteilung
erfolgte von den Haushalten im oberen zu den Haushalten im unteren Drittel der Verteilung der Primäreinkommen (Markteinkommen,
Pensionen und nettoimputierte Mieten). Öffentliche Sachleistungen lieferten mit 41% den größten Beitrag zur Umschichtung vor
den einkommensabhängigen Abgaben (Sozialbeiträge und direkte Steuern) mit 36%. 31% der Verringerung machten die öffentlichen
Geldleistungen (ohne Pensionen) aus. Die regressive Wirkung der indirekten Steuern senkte das Umverteilungsausmaß um 8%. War
die Ungleichheit sowohl der Primär- als auch der Sekundäreinkommen (Primäreinkommen nach Abzug aller direkten und indirekten
Abgaben zuzüglich aller öffentlichen Geld- und Sachleistungen) zwischen 2000 und 2010 gestiegen, so kehrte sich diese Entwicklung
zwischen 2010 und 2015 um: Die Ungleichheit der Primäreinkommen nahm gemessen am Gini-Koeffizienten leicht von 0,393 auf 0,382
ab. Da in diesem Zeitraum auch das Ausmaß der Umverteilung zunahm, ging die Ungleichheit der Sekundärverteilung noch stärker
zurück, der Gini-Koeffizient der Sekundäreinkommen sank von 0,265 auf 0,249.
Die vorliegende Umverteilungsstudie des WIFO reiht sich an die bisherigen WIFO-Umverteilungsstudien an, die seit den 1980er-Jahren
durchgeführt werden und ab dem Untersuchungsjahr 2000 die Ergebnisse im Fünfjahresabstand vergleichen. Die jüngste und aktuellste
verfügbare und verknüpfbare Datenbasis für eine solche Untersuchung betrifft das Jahr 2015. Durch ihre umfassende und differenzierte
Analyse der Umverteilungswirkungen des Abgaben- und Transfersystems auf die privaten Haushalte hebt sich die gegenständliche
Arbeit von üblichen Umverteilungsstudien ab. Die Umverteilungswirkungen der finanziellen Aktivitäten des Staates in Österreich
im Jahr 2015 und die Veränderungen in den Jahren nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 werden in acht Beiträgen
im vorliegenden Schwerpunktheft der WIFO-Monatsberichte zusammengefasst. Ausgehend von der Verteilung der Markt- und Primäreinkommen
werden auf der Einnahmenseite des öffentlichen Sektors die Verteilungswirkungen der Sozialbeiträge sowie der direkten und
indirekten Steuern auf der Haushaltsebene untersucht. Auf der Ausgabenseite bilden die sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Geld-
und Sachleistungen der öffentlichen Hand in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Familie, Wohnen, Arbeitslosigkeit und Bedarfsorientierte
Mindestsicherung den Schwerpunkt der Analyse. Das Ausmaß der Umverteilung und die Auswirkungen auf die Einkommensungleichheit
und die Armut werden auch differenziert nach Haushaltstypen untersucht.
Mit finanzieller Unterstützung von: Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 29.05.2019 0:00
Die vorliegende Umverteilungsstudie des WIFO zum Jahr 2015 beruht auf den aktuellsten verfügbaren und verknüpfbaren Daten.
Ausgehend von der Verteilung der Markt- und Primäreinkommen (Markteinkommen, Pensionen und nettoimputierte Mieten) werden
die Verteilungswirkungen der von den privaten Haushalten geleisteten Sozialbeiträge, direkten und indirekten Steuern und der
von ihnen empfangenen Geld- und Sachleistungen der öffentlichen Hand in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Familie, Wohnen,
Arbeitslosigkeit und Bedarfsorientierte Mindestsicherung analysiert. Vor Umverteilung betrug das durchschnittliche Einkommen
der Haushalte im obersten Zehntel der Einkommensverteilung das 30-Fache der Haushalte im untersten Zehntel, nach Umverteilung
nur das 5,5-Fache. Die Umverteilung erfolgte von den Haushalten im oberen zu den Haushalten im unteren Drittel der Verteilung
der Primäreinkommen. Öffentliche Sachleistungen lieferten den größten Beitrag zur Umschichtung vor den einkommensabhängigen
Abgaben (Sozialbeiträge und direkte Steuern) und den öffentlichen Geldleistungen (ohne Pensionen). Die regressive Wirkung
der indirekten Steuern senkte das Umverteilungsausmaß leicht. War die Ungleichheit sowohl der Primär- als auch der Sekundäreinkommen
(Primäreinkommen nach Abzug aller direkten und indirekten Abgaben zuzüglich aller öffentlichen Geld- und Sachleistungen) zwischen
2000 und 2010 gestiegen, so kehrte sich diese Entwicklung zwischen 2010 und 2015 um. Da sich in diesem Zeitraum auch das Ausmaß
der Umverteilung erhöhte, ging die Ungleichheit der Sekundärverteilung noch stärker zurück. Dieser Entwicklung lagen gegenläufige
Veränderungen in Haushalten mit unterschiedlichen soziodemographischen Merkmalen zugrunde. – Die Analyse verwendet Daten aus
dem European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC), der Konsumerhebung und dem Household Finance and
Consumption Survey (HFCS).